Ralph Thum
Ralph Thum

Politisches

Die alljährliche Sylvesterdiskussion                                                    04.01.2023

Eins gleich vorweg: ich bin für ein Böllerverbot! Der Grund ist schlicht und einfach, dass die negativen Begleiterscheinungen der Knallerei für Natur und Gemeinwohl aus meiner Sicht die Freude über schöne, bunte, hohe und kunstvoll explodierenden Raketen am Nachthimmel klar überwiegen. Verschreckte Tiere (und damit meine ich nicht Frau Meyers degenerierten, überfütterten und ohnehin schon traumatisierten Dackel/Teckel/Pudel-Mschling, sondern in der Stadt lebende Wildtiere), durch die Straßenzüge wabernde Schwefelnebelschwaden, Feinstaubemissionen "seine Mudda" sowie Berge von Knallkörperabfällen finde ich persönlich absolut verzichtbar. Hinzu kommt das hinlänglich bekannte Phänomen, dass viele Menschen in Gruppen dazu neigen, Dinge zu tun, die sie unter normalen Umständen selbst ziemlich dumm fänden; so z. B. das sich gegenseitig mit Böllern und Raketen bewerfen und/oder beschießen.

Wenn ich Bilder von organisierten Feuerwerken sehe, finde ich das meist schön und wohlig. Natürlich sind auch diese nicht wirklich hilfreich für Natur und Umwelt, aber sie stellen aus meiner Sicht eine brauchbare Alternative zur derzeit in Deutschland üblichen Sylvesterballerei dar.

Was ich jedoch ausdrücklich ablehne ist, die allseits bekannte und nicht nur an Sylvester auftretende Lust einiger weniger Vollidioten am Zelebrieren von Gewaltexzessen mit einem Böllerverbot zu kaschieren. Der Satz des CDU-Innenpolitikers de Vries "Niemand muss glauben, dass diese jungen Männer nächstes Jahr Wachs gießen und sich an Wunderkerzen erfreuen, nur weil es ein Böllerverbot gibt."  trifft es ziemlich gut. Falsche Partei, richtiger Satz; passiert leider auch häufig. Eine solche Aussage von Berliner RegierungspolitkerInnen wäre zumindest mal ein Signal, dass man dort das grundsätzliche Problem von Parallelgesellschaften zumindest nicht weiterhin komplett ignoriert und alle, die die deutlich sichtbaren Missstände benennen, reflexartig in die rechte Ecke abschiebt.

Klar ist, dass das Problem nicht einfach und auch nicht von heute auf morgen zu lösen ist. Es deshalb aber gar nicht anzugehen, kann die Situation nicht verbessern. Ebenso klar ist, dass die zu diesen Gelegen-heiten regelmäßig bemühten Forderungen nach Strafverschärfungen keine brauchbare Lösung darstellen, wie Vergleiche mit Kriminalstatistiken anderer Staaten aufzeigen. Vor allem müssen Strafandrohungen umsetzbar und verhältnismäßig sein, was bei uns ein weiteres Problem darstellt. Man kann leicht den Eindruck gewinnen, dass sich Gerichte und Ermittlungs-behörden gegenseitig das Leben schwer machen und sich laufend die Verantwortung für das Scheitern der bisherigen Integrationspolitik in die Schuhe schieben. Dabei kommt diese Verantwortung weder der einen noch der anderen Seite zu. Es ist Sache der PolitikerInnen, Politik zu gestalten und einen Rahmen zu schaffen, in dem Gerichte und Ordnungskräfte ihren Job vernünftig erledigen können.

Aussagen wie „Eine migrationspolitische Debatte zu entfachen halte ich für rassistisch und wird weitere Ressentiments schüren“ der rechtpolitischen Sprecherin der Linken Clara Bünger sind an anderer Stelle richtig und wichtig, aber hier wirken sie hilflos und ablenkend. Wenn sich die Ausschreitungen und die Angriffe auf Rettungskräfte gleichmäßig über alle Städte und/oder Stadtteile verteilt hätten, könnte man damit um die Ecke kommen. Taten sie aber nicht, wie die Video- und Fernsehaufnahmen ziemlich klar darlegen. Auch wenn es eine unumstößliche Tatsache ist, dass die weitaus überwiegende Mehrzahl der Menschen mit Migrations-hintergrund den Jahreswechsel in vernünftiger Art und Weise begangen haben und weder an Sylvester noch zu anderen Gelegenheiten dazu neigen, Feuerwehrautos zu plündern und Polizei- und Rettungskräfte anzugreifen, bleibt der Umstand, dass der überwiegende Teil der Menschen, die dieses in der Sylvesternacht taten, einen Migrationshintergrund haben. Und natürlich ergibt sich daraus NICHT, dass irgendeine Art von Verantwortung oder Interventionspflicht auf Seiten der MigrantInnen besteht, auf diese Straftäter einzuwirken oder sie wieder einzufangen und sich damit selbst der Gefahr auszusetzen, angegriffen oder ausgegrenzt zu werden. Diese Aufgabe kommt der gesamten Gesellschaft und - vor allem - der Politik zu.

Was jedoch die Weigerung, sich mit dem bestenden Integrationsproblem einiger Teile der Gesellschaft auseinanderzusetzen zu solchen Gelegen-heiten auf jeden Fall bewirkt ist, dass den braunen Rattenfängern in die Hände gespielt wird. Die warten doch nur auf Futter für ihre tatsächlich rassistischen Ideologien und Bestrebungen, das "Vaterland endlich ausländerfrei zu bekommen" und damit alle gesellschaftlichen Probleme auf einen Schlag zu lösen. In einem solchen Land würde ich nicht leben wollen, und ich kenne auch niemanden, die/der das wirklich wöllte.

 

Samstagsfragen                                                                                      26.11.2022

Sonntagsfragen kennt man ja: "Wenn am Sonntag Wahlen wären...". Ich finde, man sollte auch Samstagsfragen einführen; Fragen, die man in normalen Gesprächen schlecht stellen kann, ohne seine(n) Gegenüber zu brüskieren oder dem Gespräch eine unangenehme Wendung zu geben. Letzteres würde ich persönlich gern in Kauf nehmen, aber manchmal hängt da die Familie mit drin und dann muss die mein Unvermögen bzw. meinen Unwillen zu stets korrekter und möglichst besonnener Kommunikation mit ausbaden, und das kann ich ja auch nicht wollen.

Heute hätte ich z. B. jemanden während eines relativ belanglosen Gespräches gern gefragt, ob er jetzt sehr beleidigt wäre, wenn ich ihn als "willenlose, opportunistische Systemhure" bezeichnen würde.

Ich hab's nicht gefragt... der Familie wegen. Vielleicht hätte ich der Person auch unrecht getan; ich liege bestimmt häufig mit meinen Einschätzungen daneben und kann Vieles aus Mangel an Information nicht richtig beurteilen. Manches aber schon, weil es erlebte Situationen und Umstände sind, denen wir täglich ausgesetzt sind. Wenn beispielsweise in Behörden und Verwaltungen permanent Entscheidungen getroffen werden, die sich jedem/jeder BetrachterIn mit einem Mindestmaß an gesundem Menschenverstand als totaler Blödsinn und bar jeder Vernunft darstellen und dann dafür Begründungen vorgebracht werden, die noch dümmer als die Entscheidungen selbst sind, weiß man oft nicht mehr, ob man sich vor Lachen ausschütten oder vor Verzweiflung heulen soll.

Der Grad an Armseligkeit, der da zutage tritt, ist schwer zu ertragen. Und richtig steil gehe ich regelmäßig (zumindest innerlich), wenn Menschen behaupten, dass das Alles so sein muss und man das gar nicht anders machen könnte. Da frage ich mich dann immer, was bei denen schiefgelaufen ist oder wann die eigentlich aufgehört haben, eine  realitätsbezogene Betrachtungsweise anzuwenden. Dieser Eindruck der völlig verqueren Denkrichtung war heute auch der Auslöser für die fast geäußerte Bezeichnung "willenlose, opportunistische Systemhure".

Wie ich schon oft sagte und/oder schrieb: wenn man das Scheitern als akzeptabel ansieht, solange auf dem Weg zum Scheitern alle Regeln eingehalten wurden, dann stimmt das System nicht mehr.

Mir fällt dazu neuerdings gern eine Textzeile aus dem Song "Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt" von Danger Dan ein: "Wenn Du friedlich gegen die Gewalt nicht ankommen kannst, ist das letzte Mittel, das uns allen bleibt, Militanz." Ja, ich weiß, der Begriff Gewalt ist im Zusammenhang mit dem oben Geschriebenen vielleicht etwas drüber; ich beziehe ihn einfach mal weit ausgelegt auf die komplette Staatsgewalt.

Wäre das eigentlich noch Meinungsfreiheit oder schon strafbar, jemanden "willenlose, opportunistische Systemhure" zu nennen? Ich hoffe doch nicht, sonst hätte ich heute beinahe eine Straftat begangen!

 

Was gibt es doch für Leute                                                                    10.10.2022

Es ist eigentlich nichts Besonderes, dass die aktuell etwas ältere Generation das Gefühl hat, die Welt gerate gerade irgendwie aus den Fugen und nichts wird mehr so sein, wie es einmal war. Schon die alten Griechen... und ja, solche Sätze finde ich auch persé schwierig. Die alten Griechen waren bestimmt schlaue Leute - wobei der Anteil der Trottel bei den alten Griechen sicher nicht sonderlich geringer gewesen sein dürfte als bei allen anderen Völkern auch. Ich persönlich kenne keine alten Griechen und fast keine neuen Griechen; die mir bekannten männlichen Griechen kochen ziemlich gut bzw. können Restaurants so führen, dass sie nicht pleitegehen und eine Griechin, mit der ich mal "zu tun hatte", hatte es echt in sich. Will sagen, diese apokalyptische Endzeitstimmung ist keine neue Sache, die gab es schon immer.

Es geht auch weder um Griechen noch um Restaurants, es geht um Leute. Um Menschen, die es bei den banalsten Dingen nicht auf die Reihe bekommen, sich einigermaßen vernünftig zu benehmen. Wir haben es mittlerweile hinbekommen, den Planeten so dermaßen zu verhunzen, wie es alle Generationen zusammen vor uns nicht hinbekommen haben. Erstmals sagt nicht nur das Gefühl älterer Menschen, sondern auch der größte Teil der Wissenschaft, dass es so nicht weitergehen kann. Einige WissenschaftlerInnen sagen sogar, dass es nicht mehr weitergehen kann; also so gar nicht mehr. Ende, Pumpe, Feierabend. Wir hätten es verkackt. Der Zeitpunkt, an dem man noch etwas hätte ändern können, um das finale Ableben von Mensch und Tier nicht stattfinden zu lassen, sei durch. Da ginge nichts mehr, sagen sie. Ich finde es eigentlich immer semigut, wenn sich WissenschaftlerInnen irren, aber in diesem Fall würde ich das schon ziemlich gut finden.

Aber die meisten Menschen bekommen das nicht mit - oder leugnen die Realitäten hartnäckig. Die einen wittern in den kleinsten Maßnahmen die größten Verschwörungen, sind aus Prinzip gegen alles, was von "denen da oben" kommt und sind mittlerweile in ihrem Wahn so dermaßen gefangen, dass sie nicht mal mehr mitbekommen, von wem eigentlich die wirklichen Gefahren ausgehen. Die rhetorische Regel würde jetzt ein "die Anderen" verlangen, aber ganz oft sind dieser Tage die Einen auch gleichzeitig die Anderen. Nämlich die, denen alles entweder ziemlich egal ist und die trotzdem über alles meckern müssen, die mit der Vielfalt der aktuellen Gesellschaftsstrukturen komplett überfordert sind und sich in die kleine Welt ihrer bekannten, engen Grenzen flüchten, in denen Anderssein Falschsein bedeutet.

Gestern wählten in Niedersachsen ca. 11 % wieder Nazis in den Landtag. Viele von denen taten dieses, weil sie mit der Politik der Bundesregierung nicht einverstanden sind. Mal abgesehen davon, dass die allermeisten von denen Politik sowieso nicht verstehen bzw. alles, was nicht so ist, wie sie es in ihrer kleinen Welt haben wollen, für schlechte Politik halten; wenn man das politische System in Deutschland so wenig durchschaut hat und nicht rafft, dass Bundes- und Landespolitik nicht das Gleiche sind, ist das Wahlrecht ein Geschenk, das man eigentlich nicht verdient hat.

Nun könnte man sagen, dass immerhin fast 90% keine Nazis gewählt haben. Und ja, das ist schön. Noch schöner war allerdings, dass es schon einmal weniger waren, die so dumm oder fahrlässig oder ...piep... sind, die glauben, dass das braune Pack in schweren Zeit irgendetwas besser macht als die Anderen.

Wenn wir also schon die Umwelt und das Klima nicht mehr repariert bekommen, könnten wir doch vielleicht wenigstens versuchen, unsere Gesellschaften und damit auch die Weltgemeinschaft nicht auch noch gegen die Wand zu fahren. Das ist auch gar nicht so kompliziert; man müsste einfach nur berücksichtigen, dass man nicht allein auf der Welt ist und dass nicht alles, was für mich wichtig ist, automatisch für alle anderen auch wichtig sein muss. Nennt sich Demokratie, haben angeblich die alten Griechen erfunden.