Ralph Thum
Ralph Thum

Getriebenes

Adieu, Facebook!                                                                                     12.12.2020

Ich habe mich vor zwei Wochen entschlossen, Facebook zu verlassen. Also ehrlich gesagt, mit dem Gedanken hatte ich schon länger gespielt, aber dann formte sich das Gefühl in mir, dass es Zeit wäre, es wirklich zu tun.

Allein diese Formulierung wird der ganzen Sache nicht gerecht; "es wirklich zu tun" klingt nach einem großen und wichtigen Schritt, so etwas wie ein Haus kaufen oder einen Bungeesprung auszuführen. So großartig ist das aber gar nicht. Man reduziert seine Webpräsenz um ein vom Rest der Welt weitestgehend unempfundenes Maß, wen also kümmert's?

Es kümmerte erwartungsgemäß - mit ganz wenigen Ausnahmen -  Menschen, zu denen man auch einen wirklichen Kontakt im echten Leben da draußen hat. Das ist weder verwunderlich noch irritierend noch vorwerfbar, das ist völlig normal und verständlich. Es bestätigt den Eindruck und die Gedanken, die ich anlässlich meines Austritts geäußert habe. Der las sich so:

Hallo Welt, ich habe etwas mitzuteilen: ich werde in ca. zwei Wochen meinen Facebook-Account beenden.

Die Gründe dafür reichen von Bedenken zum Umgang von Facebook mit den Daten der User*innen über die Überlegung, dass die Analyse meiner Daten durch Firmen, die diese Daten von Facebook kaufen, mittelbar auch Einfluss auf die Bewertung und das Profiling meiner Facebookfreunde*innen hat bis hin zu meinem Empfinden, dass man Kontakte zu Menschen absichtlicher und bewusster pflegt, wenn man nicht dieses "Netz" der sozialen Foren hat, die einem suggerieren, dass man ja doch irgendwie in Kontakt zu diesen Menschen steht, obwohl es eigentlich nicht stimmt.

Wem das als Erklärung ausreicht, braucht eigentlich ab hier nicht mehr weiterzulesen, sondern kann mich, wenn sie oder er will, einfach anrufen oder anschreiben, wenn ihr/ihm danach ist. Wer meine Nummer nicht (mehr) hat, hat auch noch einige Tage Zeit, sie zu erfragen.

Ich habe in diesem Moment 112 Facebookfreunde*innen. Das sind im Vergleich zu anderen Facebookusern*innen sehr wenige. Darunter sind 12, denen ich noch nie begegnet bin und ich ihnen nur deshalb folge, weil sie mehr oder weniger öffentliche Personen sind oder sie eine Organisation repräsentieren, der ich zugetan bin. Bleiben 100 "echte" Personen. Darunter sind mindestens 20 Leute, mit denen ich seinerzeit nur mittelbar zusammengetroffen bin, weil sie Freunde von Freunden sind oder waren, man sich aber sonst - und das meine ich ausdrücklich nicht despektierlich - eigentlich nicht wirklich etwas zu sagen hätte. Dann sind da noch einige Leute, zu denen ich schlichtweg keinen persönlichen Kontakt mehr habe, weil man sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt hat.

Bleiben also ca. 60 Personen übrig. Das ist schon eher eine Anzahl an Menschen, zu denen ich in der realen Welt einen für beide Seiten brauchbaren, persönlichen Kontakt pflegen könnte. Wenn ich mir aber ansehe, wann ein solcher persönlicher oder virtueller Kontakt das letzte Mal stattfand, halbiert sich diese Zahl noch einmal. Das unterstützt meine oben schon mal geäußerte Einschätzung, dass einige socialmedia-Kontakte eigentlich keine wirklichen Kontakte sind.

Warum also dann Verbindungen beibehalten, die eigentlich nicht (mehr) existierten? Auch das meine ich ausdrücklich ganz ohne Vorwurf oder beleidigt oder sonstwie negativ; in vielen Fällen war auch ich derjenige, der nichts oder nur wenig dafür getan hat, dass man irgenwie in Verbindung bleibt. Und es wäre zu einfach, es auf die derzeitige Situation um Corona und Lockdown zu schieben; wenn ich wirklich gewollt hätte, hätte ich anders agieren können.

Da ich vor einigen Monaten schon mal "feucht durchgewischt habe" und die Schwurbler*innen und kruden Leute aussortiert habe, kann ich mich jetzt und hier mit einem wirklich ehrlichen und aufrichtigen Lächeln von allen Menschen verabschieden, mit denen es künftig keinen Kontakt mehr geben wird. Ich wünsche Euch allen von Herzen alles Gute, bleibt gerade und passt auf Euch auf.

Heute war nun der Tag, an dem ich die Ankündigung umgesetzt habe. Mein Facebookaccount ist seit heute nicht mehr sichtbar. Wenn jemand also künftig etwas von mir sehen, hören oder lesen will, muss sich hier her begeben.